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Anne Paceo: Atlantis (Review)

Artist:

Anne Paceo

Anne Paceo: Atlantis
Album:

Atlantis

Medium: CD/LP
Stil:

Jazz, Electronica, Pop, Fusion

Label: Jusqu'à la nuit
Spieldauer: 38:48
Erschienen: 29.08.2025
Website: [Link]

Immer, wenn der Name der versunkenen Insel Atlantis auftaucht, muss ein leidenschaftlicher (älterer) Musikkritiker wohl unweigerlich an einen der schönsten wie bewegendsten Folk-Songs aller Zeiten und diesen Ausruf: „Hail, Atlantis!“ von DONOVAN denken. Schöner und bewegender konnte man auf musikalischer Ebene einfach nicht voller Verzweiflung nach der im Meer versunkenen Insel rufen.

Und ganz so weit entfernt liegt man mit diesem Gedanken bei einer ANNE PACEO tatsächlich nicht. Denn auch bei ihr spielt das Wasser und versunkene Schätze – auch der Musik – eine bedeutende Rolle.
Die 1984 geborene Musikerin, die nicht nur über eine himmlische Stimme verfügt, sondern zugleich hinter den Fellen sitzt und hierbei oft zugleich die großen, tiefen Trommeln bedient...


...ließ sich auf „Atlantis“ nicht nur von der sagenumwobenen Insel inspirieren, sondern zugleich vom Ozean als ihrem Sehnsuchtsort und dem innigen Wunsch, in all dem Chaos über dem Wasserspiegel einen Ort der (inneren) Ruhe im Wasser zu finden. Oder wie man es so schön sagt: gleich im doppelten Sinne 'abzutauchen'. Genaueres ist hierzu auch in dem das Album begleitenden Promo-Schreiben nachzulesen: „Im Zentrum steht ein Erlebnis unter Wasser: Eine erste Taucherfahrung in Portugal im Sommer 2022 wird für Paceo zum Ausgangspunkt einer künstlerischen Selbstvergewisserung. In der Schwerelosigkeit des Ozeans, zwischen Dunkelheit und Licht, beginnt die Idee von 'Atlantis' – einem Ort zwischen Realität und Mythos, wo Identität, Zeit und Erinnerung ineinanderfließen.“


Da ist natürlich der Kritiker, der ebenfalls Taucher ist, schonmal begeistert, weil er genau dieses Gefühl kennt und nur bestätigen kann.
Nur meistert die Musikerin es auch, genau dieses Gefühl zum Klingen zu bringen?
Über allen Songs schwebt vordergründig immer wieder das Thema Liebe, ob glücklich oder unglücklich?
Egal, aber doch eher unglücklich bei all den ruhigen, traurigen und melancholischen Momenten, die Paceos Musik verbreitet. Hierbei spielen besonders die Electronics eine gewichtige Rolle.
Und natürlich darf bei dieser Thematik ein Spitzen-Song wie „The Diver“ (Der Taucher) nicht fehlen!


Bei „The Diver“ entsteht anfangs sogar der Eindruck, Frau Paceo würde ganz offensichtlich LAURIE ANDERSONs „O Superman“ zitieren, doch dann wird gerade dieser extrem starke Song zu einem getriebenen Jazz-Pop-Spielchen, mit Trompete – tatsächlich in Richtung MILES DAVIS tendierend – und dunklem Sprechgesang.
Wer die Faszination einer BJÖRK liebt, die sich auf ganz unterschiedliche Experimente in ihrer Pop-Musik, die mit jeder Menge anderen, mitunter gegensätzlichen Klangexperimenten spielt, liebt, der wird an der Musik von ANNE PACEO eine ganz ähnlich Freude und Spannung empfinden.


Die LP-B-Seite eröffnet mit „Restless“, einem traumhaft von Piers Faccini gesungener Song und erneut einem bestechenden Trompetenspiel von Zacharie Ksyk, der tatsächlich nunmehr offensichtlich vorhat, sich erfolgreich die überdimensionalen Blechblas-Stiefel eines MILES DAVIS oder NILS PETTER MOLVÆR überzustreifen. Hinzu kommt der bewegende, sehr bildreiche Text über die Ruhelosigkeit eines Menschen, der verzweifelt nach Ruhe sucht, weil er sich wie ein gefangener Singvogel (Offensichtlich bezieht ANNE PACEO diesen Passus wohl auf sich selber.) im Käfig fühlt, der hinter den Gitterstäben die Freiheit sieht, die ihm nicht offensteht: „Songbirds in a cage will cry / longing to return to skies / my limbs gave in to your eyes / only to love obey.“


Spätestens jetzt wird aus dem guten Eindruck, den man bisher von „Atlantis“ gewonnen hat, ein faszinierender. Und natürlich ist besonders das Vinyl sehr empfehlenswert, das zudem eine bedruckte Innenhülle mit allen Texten im Inneren des LP-Covers birgt. Leider aber fehlen mit „Aube marine“ und „L'écume“ im Gegensatz zur CD gleich zwei Songs, zu denen hier keine weiteren Ausführungen getroffen werden. Eigentlich unverständlich. Denn diese gut sieben Minuten mehr hätte man locker auch auf der Vinyl-Version unterbringen können.

Dafür aber zu dem abwechslungsreichen Instrumental (mit hingehauchten Vokalisen) „Mantha“, welches wie ein Nyman-Soundtrack zum nächsten Greenway-Film klingt. Inklusive eine offensichtliche Lynch-'Twin Peaks'-Atmosphäre. ANNE PACEO weiß ihre Hörer immer wieder musikalisch zu überraschen. Und zwar immer wieder auf angenehme Weise. Wobei offensichtlich auch den beiden Bläsern, also an Trompete und Saxophon, gewichtige Rollen zukommen, die dem gesamten Album ein zartes wie zärtliches Jazz-Flair verleihen.


Und dann gibt’s da kurz vor dem Album-Ende noch ein weiteres ähnliches Instrumental mit „Sure une ile“, auf dem Frau Paceo auch noch beweist, was sie als Schlagzeugerin draufhat. Da dürfen einem gerne die Nackenhaare zu Berge stehen, bis dann voller Melancholie und ein wenig bedrückend wie bedrohlich „Atlantis“ mit „Au large“ seinem Ende entgegenstrebt, wenn die begnadete Musikerin und dreifache 'Victoires du Jazz'-Preistägerin endgültig im 'kalten, dunklen Wasser' abtaucht: „In the cold dark water / you will grow...“


FAZIT: In „Atlantis“ vollbringt ANNE PACEO die gelungene Symbiose aus Electro-Pop, Bar-Jazz, Weltmusikalischem und Loops plus Soundspielereien sowie spannende Stereo-Effekte. Hinzu kommen die faszinierenden Stimmen von ihr selber und unterschiedlichen Gastsängern. Auch dass sie eine hervorragende Schlagzeugerin ist, stellt sie auf der LP unter Beweis, wobei mindestens ebenso das grandiose Trompetenspiel von Zacharie Ksyk, das dem des norwegischen Trompetenstars Molvær extrem nahe kommt, begeistert. Eine meisterhafte Leistung, die knapp 40 Musik-Minuten lang in die Tiefen des Ozeans abtaucht und dort den Hörer fesselt.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 84x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (19:32):
  • The Edge (2:27)
  • Tant qu'il y a de l'eau (feat. Laura Cahen) (3:25)
  • Inside (3:27)
  • Sedna (2:55)
  • Love Song (2:49)
  • The Diver (4:29)
  • Seite B (19:16):
  • Restless (feat. Piers Faccini) (3:37)
  • Aube marine (3:32)
  • Mantha (4:48)
  • Sure une ile (4:24)
  • Au large (2:55)

Besetzung:

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